Pakistan: Musiker und Sängerinnen profitieren von Vertreibung der Taliban

Neue Sangeskunst in Peshawar – Bild: Ashfaq Yusufzai/IPS

Von Ashfaq Yusufzai

Peshawar, 17. Januar 2014 (IPS) – Jahrelang durften sie nicht singen, tanzen oder ihre Musikinstrumente spielen. Die darstellenden Künstler und Künstlerinnen der pakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa wurden von den Taliban, die Musik als unislamisch ablehnen, aus dem öffentlichen Leben verbannt. Doch seit dem Machtverlust der Islamisten hängt wieder Musik in der Luft, und die Verbannten kehren auf die Bühnen zurück.

Seit den Wahlen im Mai 2013 werden CDs in der Provinz wieder offen verkauft, und sogar Theateraufführungen finden statt. «Die Taliban-Kämpfer haben uns Musikern in den letzten fünf Jahren das Leben sehr schwer gemacht. Jetzt können wir aufatmen, weil der Terror abgenommen hat», sagt die Sängerin Gul Pana.

Die Paschtunen sind ein kulturell interessiertes Volk. Doch mussten sie unter den Taliban auf den Genuss von Musik und anderen kulturellen Darbietungen verzichten. Die selbsternannten Gotteskrieger untersagten den Kulturschaffenden aufzutreten, wobei sie ihrem Verbot mit zahlreichen Bombenanschlägen und Selbstmordattentaten Nachdruck verliehen.

Die neue Provinzregierung ermutigt Künstler und Musikerinnen jetzt sogar ausdrücklich dazu, ihre Instrumente wieder hervorzuholen. Pana, die an der Universität von Peshawar studiert, singt inzwischen häufig in der Öffentlichkeit, auch auf Hochzeiten, und wirkt an Musikproduktionen für Filme mit.

Vor allem das Swat-Tal, ein Bezirk von Khyber Pakhtunkhwa, war einst für seine Sänger und Tänzer bekannt. Die malerischen Berglandschaften bildeten bis zur Ankunft der Taliban oft die Kulisse für Musikvideos. Im Januar 2009 töteten die Extremisten jedoch die bekannte Tänzerin Shabana. Viele Künstler flohen daraufhin aus der Region oder gaben ihren Beruf auf, um nicht zur Zielscheibe der Islamisten zu werden.

«Wir sind zurück!»



Die Situation hat sich jedoch seit der Vertreibung der Taliban durch die pakistanische Armee 2010 verbessert. «Wir sind zurück!», sagt der Harmoniumspieler Muhammad Suleiman. «Jeden Abend finden Musikveranstaltungen statt, die die lokale Bevölkerung und Fans aus anderen Teilen des Landes unterhalten.»

Zwei seiner Töchter seien Tänzerinnen und hätten früher den Unterhalt für die zwölfköpfige Familie verdient, erzählt er. Während der Herrschaft der Taliban seien dann kaum Mahlzeiten auf den Tisch gekommen. «Jetzt werden wir aber wieder eingeladen, um auf Hochzeiten aufzutreten», berichtet die 18-jährige Noreen Begum, eine der beiden Töchter. Von dem Geld, das sie nach Hause bringt, wird die Schulausbildung von zwei Brüdern finanziert.

Auch in der Provinzhauptstadt Peshawar finden wieder Musikdarbietungen statt. Seit die von dem international bekannten Kricketspieler Imran Khan geführte Partei ‘Pakistan Tehreek Insaf’ (PTI) an der Spitze der Regierungskoalition in der Provinz steht, hat sich die Musikszene spürbar gewandelt.

«Die Leute laden uns zu Privatveranstaltungen ein und zahlen gut. Die Paschtunen sind Musiklieber und zeigen sich großzügig, wenn ihnen die Aufführungen gefallen», sagt der Schlagersänger Shah Sawar. Der 25-Jährige berichtet, dass er vor Kurzem sogar vor Imran Khan persönlich auftreten durfte und von dem Politiker gelobt worden sei.

Theater gut ausgelastet



Das einzige Theater in Peshawar, ‘Nishtar Hall’, ist wieder zum Leben erwacht und hat fast jeden Tag Aufführungen im Programm. «Täglich rufen uns Sponsoren an. Hier treten Sänger aus der Stadt und aus allen Teilen Pakistans auf», erklärt Karam Khan, der in der Verwaltung des staatlich betriebenen Theaters mit 600 Plätzen arbeitet.

«Die Tage, in denen die Nishtar Hall aufgrund von Drohungen der Taliban geschlossen bleiben musste, sind vorbei», meint Khan. «Die Lage hat sich normalisiert, und kulturelle Aktivitäten erleben einen Aufschwung.»

Auch die Sängerin Mashooq Sultan ist zufrieden: «Imran Khans Partei ist ein Segen für die mehr als 10.000 Künstler, die vor ihrem Amtsantritt praktisch arbeitslos waren. Ich hatte große Probleme, meine Familie zu ernähren. Imran hat nun für mehr Recht und Ordnung gesorgt.»

Sultan hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 5.000 Songs im Radio und Fernsehen vorgestellt.

Anders als in Khyber Pakhtunkhwa haben aber in den ebenfalls im Westen Pakistans gelegenen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (Fata) die Extremisten nach wie vor großen Einfluss. An Musik und Tanz ist dort zurzeit nicht zu denken.

 

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