
Mehr als eine halbe Million Menschen lebt in Gaza-Stadt – Bild: Marjut Helminen/IPS
Von Marjut Helminen
Gaza-Stadt, 11. Juni 2014 (IPS) – Das Leben im palästi-nensischen Gazastreifen ist hart, vor allem für die Frauen. Um ihnen eine Stimme zu verleihen, hat eine lokale Organisation einen Journalistinnen-Club in Gaza-Stadt gegründet. Hier können sie sich weiterbilden, austauschen und vernetzen.
„Männer dürfen sich zwar auf den Workshops zu Wort melden, doch die Fortbildungskurse sind allein den Frauen vorbehalten“, erläutert Mona Khadir, die Koordinatorin des ‚Filastiniyat-Journalistinnen-Clubs‘ in Gaza-Stadt. In dem Veranstaltungssaal in einem Hotel haben sich zahlreiche Medienschaffende versammelt, und im Hintergrund sind Fernsehteams mit ihren Kameras zu sehen.
Filastiniyat ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die mit ihren Veranstaltungen eine größere Teilnahme der palästinensischen Frauen und Jugendlichen am öffentlichen Leben erreichen möchten.
Seminare für Teilnehmende jedweder Religion oder politischer Überzeugung anzubieten, ist im Gazastreifen keine Selbstverständlichkeit. Die seit 2007 bestehende politische Teilung der von Israel besetzten Gebiete – im Westjordanland regiert die Fatah, im Gazastreifen die rivalisierende Hamas – hat sich negativ auf die Meinungsfreiheit ausgewirkt. Auch für die Frauen, ob sie nun Journalistinnen sind oder nicht, ist die Lage schwierig.
Die Hamas sei bemüht, Frauen und Männer in allen Bereichen des öffentlichen Lebens voneinander zu trennen, meint Wafa‘ Abdel Rahaman, die Gründerin von Filastiniyat, in Ramallah im Westjordanland. „Wir sorgen dafür, dass die Stimmen der Frauen in der Gesellschaft gehört werden.“
Mit ihrer Idee rennt Filastiniyat bei etlichen palästinensischen Männern offene Türen ein. Der Club biete eine völlig neue Gesprächskultur, meint ein Beobachter. Wie er sind viele der Ansicht, dass die Organisation den Journalismus von einer engstirnigen Parteipolitik befreie und zu seinen Wurzeln zurückführe, nämlich die Bevölkerung über ihr Recht auf Information und freie Meinungsäußerung zu informieren.
Medienvertreter leben gefährlich
Doch Journalisten im Gazastreifen leben gefährlich. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird vor allem von der israelischen Besatzungsmacht, aber auch von der lokalen Regierung beschnitten. Medien im Gazastreifen dürfen beispielsweise das Handeln der Hamas-Regierung nicht kritisieren, insbesondere dann nicht, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht.
Die Stimmen von Journalistinnen im Gazastreifen werden mittlerweile nicht nur in Konferenzräumen gehört. Anfang Mai lud Filastiniyat Medienvertreter ein, um über das inzwischen beschlossene Ende der Spaltung von Fatah und Hamas zu diskutieren. Der Fernsehsender ‚Al Dschasira‘ übertrug die lange Debatte live in die arabischsprachigen Länder. Auch palästinensische TV-Sender und andere Medien widmeten dem Ereignis ihre Aufmerksamkeit.
„Uns geht es vor allem darum, die Rechte von Journalistinnen zu stärken. Wir geben ihnen die Chance, sich zu Wort zu melden, ihre beruflichen Möglichkeiten auszubauen und Netzwerke zu bilden“, erklärt Khadir. Einige Veranstaltungen des Clubs mögen auf den ersten Blick trivial erscheinen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, wie viel sie berufstätigen Frauen bringen können, die in einer von Männern dominierten Gesellschaft überleben wollen.
Zu dem Angebot gehören psycho-soziale Hilfe, Yoga und andere Entspannungstechniken – wichtig für die Menschen im Gazastreifen, die unter stressigen Lebensbedingungen leiden. Ausfälle bei der Strom- und Wasserversorgung sind die Regel. Das Trinkwasser ist zudem mit Salz und Schadstoffen belastet. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung aufgrund der Belagerung durch Israel wie in einem Ghetto lebt.
Journalistinnen bei der Jobsuche stark benachteiligt
Journalistinnen im Gazastreifen sind auch dadurch gehandicapt, dass ihre männlichen Kollegen leichter Arbeit finden. Laut dem Palästinensischen Amt für Statistik waren 2012 mehr als 50 Prozent der Journalisten zwischen 20 und 29 Jahren, die einen einschlägigen Abschluss vorweisen können, ohne Beschäftigung. Von den männlichen Absolventen waren 38 Prozent arbeitslos, bei den Frauen waren es erschreckende 82 Prozent.
Die Weltkulturorganisation UNESCO und das Medienentwicklungszentrum der Birseit-Universität werden in Kürze einen ausführlichen Bericht über Entwicklungen im Journalismus vorlegen. Unter anderem wird untersucht, inwieweit Pressefreiheit und ein Recht auf freie Meinungsäußerung im Gazastreifen gewährleistet sind. Der Studie zufolge hat die Diskriminierung von Frauen in den Medienhäusern tiefe Wurzeln geschlagen.