Gute Beispiele aus

Nepal: Mädchen im Westen des Landes kämpfen erfolgreich gegen Kinderehen – Mehr als 80 Schulen ziehen mit

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Shradha Nepali konnte vor einer Heirat mit 14 Jahren bewahrt werden – Bild: Naresh Newar/IPS

Von Naresh Newar
Bajura, Nepal, 9. März 2015 (IPS) – Nur das entschlossene Eingreifen ihrer Schulfreundinnen hat Shradha Nepali davor bewahrt, im Alter von 14 Jahren verheiratet zu werden. Denn die sechsköpfige Familie des Teenagers aus dem Dorf Pinalekh im äußersten Westen Nepals muss mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen.

Bitteres Elend sei einer der Hauptgründe, weswegen Familien in dem Himalajastaat ihre Töchter früh verheirateten, bestätigt Maheshi Joshi, Koordinator der Organisation ‚PeaceWin‘ Die meisten lebten von den Erträgen ihrer winzigen Felder und von Gelegenheitsarbeiten.

Wie Shradha Nepali erzählt, war sie sich damals der Tragweite einer Heirat überhaupt nicht bewusst. Um ein Haar hätte sie das Schicksal vieler junger Frauen ihres Landes geteilt. Laut einer 2013 veröffentlichten Studie der Organisation ‚Plan Asia‘ und des Internationalen Zentrums für Frauenforschung (ICRW) hatten 41 Prozent der befragten Nepalesinnen im Alter zwischen 20 und 24 Jahren geheiratet, bevor sie 18 Jahre alt waren.

Mehr als 40 Prozent aller Kinderbräute in Südasien

Das Weltkinderhilfswerk UNICEF rechnet Nepal, wo laut der Weltbank 24 Prozent der rund 27,8 Millionen Einwohner verarmt sind, zu den zehn Staaten mit den höchsten Raten an Kinderehen. Südasien ist die Heimat von schätzungsweise 42 Prozent aller Kinderbräute auf der Welt. Nepal belegt nach Erkenntnissen des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA nach Bangladesch und Indien den dritten Rang auf der Liste.

Die Nationale Frauenkommission in Nepal ist überzeugt, dass wirtschaftliche, soziale und religiöse Beweggründe zu der Vielzahl von Kinderehen führen. Allein im südlichen Tarai-Gürtel macht die Mitgiftpraxis Eheschließungen zwischen Kindern weiterhin attraktiv. Je jünger die Tochter bei der Heirat ist, desto weniger müssen ihre Eltern an die Familie des Mannes zahlen. Für andere Familien zählt vor allem die Aussicht darauf, ein Maul weniger stopfen zu müssen.

Mädchen in armen Landgemeinden Nepals haben nach wie vor kaum eine Chance auf Bildung. Laut UNICEF können etwa 77,5 Prozent der Nepalesinnen zwischen 15 und 24 Jahren nicht schreiben und lesen.

Verstoß gegen Menschenrechte



Nach nepalesischem Recht bedeuten Kinderehen einen Verstoß gegen die grundlegenden Menschenrechte von Mädchen, der für die Betroffenen weitreichende negative Folgen hat. „Junge Mädchen, die als Minderjährige heiraten, leiden häufig unter körperlichen und psychischen Problemen“, sagt die stellvertretende UNFPA-Landesvertreterin für Nepal, Kristine Blokhus. „Bei Geburten besteht für die jungen Mütter ein hohes Sterberisiko.

Auch wenn ein Mädchen überlebt, drohen ihm lebenslange Gesundheitsprobleme.“ Zudem versperrt eine frühe Heirat oftmals den Zugang zum Arbeitsmarkt und verdammt die Betroffenen zu ewiger Abhängigkeit von ihren Männern.

In Shradha Nepalis Heimatdistrikt Bakura, der etwa 900 Kilometer von der Hauptstadt Katmandu entfernt liegt, hat der von Mädchen geführte Vorstoß gegen Kinderehen einige Fortschritte erzielt. Mehrere Gemeinden haben inzwischen öffentlich erklärt, dass es innerhalb ihrer Grenzen keine Kinderehen mehr geben werde.

Die Bevölkerung einer der rückständigsten Regionen des Landes zum Umdenken zu bringen, ist nicht einfach. Doch die 16-jährige Rashmi Hamal, Vorsitzende des Jyalpa-Kinderclubs, ist zuversichtlich, da inzwischen die meisten Mitglieder der Gemeinschaft gegen Kinderehen angehen wollen.

Mit Hilfe von PeaceWin und der von UNICEF unterstützten Organisation ‚Restless Development‘ schloss sich Hamal 2014 mit neun weiteren Mädchen zusammen, um die Kinderehen zu verhindern. „Diese Mädchen sind lokale Heldinnen. Sie haben ihre Eltern überzeugt“, sagt Hira Karki von PeaceWin.

Mehrere Schulen schließen sich Kampagne an

Shradha Nepali ist inzwischen eines der aktivsten Mitglieder des Kinderclubs. Und der Erfolg der Initiative liegt auf der Hand: mehr als 84 Schulen in Bajura und in den Nachbardistrikten Kalikot, Accham und Mugu haben im vergangenen Jahr ähnliche Kampagnen gestartet. Laut UNFPA ist die Zahl der Kinderehen in den vergangenen fünf Jahren um 20 Prozent gesunken.

Die stellvertretende UNICEF-Vertreterin für Nepal, Rownak Khan, gibt allerdings zu bedenken, dass eine Sensibilisierung der Bevölkerung allein noch nicht ausreicht. Es gelte eine Vielzahl von Registern zu ziehen. So müsse etwa die Schul- und Berufsausbildung von Mädchen gewährleistet werden.

Die Regierung versucht seit 1998 mit einem landesweit durchgeführten Entwicklungsprogramm für Jugendliche, auf breiter Ebene die Bildung junger Frauen voranzubringen. Derzeit arbeiten zudem mehrere Ministerien an einem ersten nationalen Strategieplan gegen Kinderehen. Zusammen mit den landesweit 20.000 Kinderclubs rückt der Tag, an dem das Phänomen der Vergangenheit angehören wird, immer näher.

 

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