
Christine Ahn ist die internationale Koordinatorin der Kampagne ‚Women Cross DMZ‘, an der sich in diesem Mai 30 Frauen mit einem Marsch für Frieden und die Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea beteiligen. Bild: http://cdn.ipsnews.net
Ein Gastbeitrag von Christine Ahn*
NEW YORK, Mai 2015 (IPS) – Vor einem Jahrhundert bestieg die Suffragette Jane Addams gemeinsam mit anderen US-Amerikanerinnen ein Schiff, um zu einem Frauenkongress nach Den Haag zu fahren. Mehr als 1.300 Teilnehmerinnen aus zwölf Ländern überbrückten die Grenzen zwischen verfeindeten Staaten, indem sie gemeinsam das Ende des Ersten Weltkriegs forderten. Aus dem Kongress ging die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF) hervor, die vom 27. bis 29. April in Den Haag unter dem Motto ‚Frauen stoppen den Krieg‘ ihren 100. Geburtstag feierte. Und vom 19. bis 25. Mai ist eine Delegation von 30 Frauen aus 15 Ländern gemeinsam mit Frauen aus Nord- und Südkorea marschiert, um das Ende des Korea-Krieges einzufordern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel Korea Japan in die Hände. 35 Jahre lang stand es unter kolonialer Herrschaft. Nach der Kapitulation Japans 1945 schlugen die USA vor, Korea vorübergehend entlang des 38. Breitengrades zu teilen. Damit wollte Washington verhindern, dass sowjetische Truppen, die im Norden gegen Japan kämpften, das gesamte Land besetzten. Moskau stimmte dem Vorschlag zu.
Nördlich dieser Trennungslinie mussten sich die japanischen Truppen den Sowjets und im Süden den US-Behörden ergeben. Washington und Moskau gelang es in der Folge nicht, auch nur eine einzige Regierung in Korea einzusetzen und die Teilung rückgängig zu machen. Somit entstanden 1948 zwei voneinander getrennte Staaten: die Republik Korea im Süden und die Demokratische Volksrepublik Korea im Norden.
Die Teilung führte den Korea-Krieg (1950-1953) herbei, der in den Vereinigten Staaten oftmals als ‚vergessener Krieg‘ bezeichnet wird. Beide Seiten versuchten damals, eine Wiedervereinigung des Landes mit Gewalt zu erzwingen. Trotz enormer Zerstörungen und vieler Toter setzte sich keine der Kriegsparteien durch. Im Juli 1953 wurden die Kämpfe eingestellt, als Nordkorea, das die nordkoreanische Armee und die Chinesischen Volksfreiwilligen repräsentierte, und die USA in Vertretung der Vereinten Nationen in Panmunjom nahe dem 38. Breitengrad ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichneten.
In diesem Abkommen wurde die Notwendigkeit einer politischen Einigung zwischen allen Kriegsparteien gemäß Artikel 4, Absatz 60 betont. Daraufhin entstand eine etwa vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone, die vermint wurde und die neue Grenze zwischen den beiden Staaten bildete. Die Regierungen wurden aufgefordert, binnen drei Monaten eine politische Konferenz anzuberaumen, um einen formellen Friedensschluss zu erreichen.
Mehr als 62 Jahre später ist immer noch kein Frieden geschlossen worden. Die Furcht vor neuen Gefechten, die jederzeit ausbrechen könnten, besteht weiter. Während einer militärischen Krise mit Nordkorea 2012 räumte US-Verteidigungsminister Leon Panetta ein, dass Washington sich „fast täglich einen Zentimeter von einem Krieg entfernt befindet“.
Als 1994 der damalige US-Präsident Bill Clinton einen militärischen Präventivschlag gegen die nordkoreanischen Atomreaktoren in Erwägung zog, ging das Pentagon davon aus, dass der Ausbruch eines Krieges auf der koreanischen Halbinsel binnen der ersten 24 Stunden zu etwa 1,5 Millionen und binnen einer Woche sechs Millionen Todesopfern führen würden.
Diese Einschätzung trug dem Umstand Rechnung, dass Nordkorea Kernwaffen besitzt, deren zerstörerische Auswirkungen in ihrem Ausmaß unvorstellbar wären. Wir haben keine andere Wahl, als uns zu engagieren, andernfalls wären die Kosten zu hoch.
Die einzige Möglichkeit zur Verhinderung einer katastrophalen Konfrontation besteht laut einem Papier des ‚U.S. Army War College‘ von 2011 darin, „eine Einigung über die Beendigung des Waffenstillstands im Korea-Krieg zu erzielen“ und „eine formelle Sicherheitsgarantie für Nordkorea zu erwirken, die an die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen geknüpft ist“.
In der jüngsten Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Verhinderung von Kriegen und beim Abbau von Spannungen entscheidend sein kann, wenn sich die politischen Führer in eine gefährliche Sackgasse geraten sind. Als Clinton 1994 ein militärisches Vorgehen in Betracht zog, flog der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter gemeinsam mit einem CNN-Kamerateam nach Pjöngjang, um mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Il Sung die Bedingungen für einen Einigungsvertrag auszuhandeln.
2008 traten die New Yorker Philharmoniker in Pjöngjang auf und trugen damit erheblich zu dem Tauwetter zwischen den USA und der Volksrepublik Nordkorea bei. Christiane Amanpour, die für CNN aus Pjöngjang berichtete, schrieb, William Perry, Ex-Verteidigungsminister und Unterhändler bei den Gesprächen mit Nordkorea, habe von einem „magischen Moment“ gesprochen. Perry war demnach davon überzeugt, dass das Konzert die Regierunen bei den Verhandlungen über ein Atomabkommen positiv beeinflussen könnte. „Gegenseitiges Misstrauen und Angst können aber nur durch einen zwischenmenschliche Diplomatie‘ überwunden werden“, so Perry.
Dieses Ziel wollen wir mit dem Marsch der Frauen für Frieden und Wiedervereinigung Koreas 2015 erreichen, eine Form der Bürgerdiplomatie, die von Frauen vorangetrieben wird. Wir marschieren auch anlässlich des 15. Jahrestags der Verabschiedung der UN-Sicherheitsratsresolution 1325, de zu einer vollständigen und gleichwertigen Beteiligung von Frauen an der Prävention und Lösung von Konflikten und am Friedensaufbau aufruft. Frauen aus Kambodscha, Guatemala, Liberia und Nordirland setzen sich für den Frieden ein, indem sie sich über nationale, ethnische und religiöse Grenzen hinweg mobilisieren.
In ähnlicher Weise marschiert unsere Delegation für den Frieden in Korea und durchquerte die entmilitarisierte Zone, die Millionen Familien voneinander trennt. Damit erinnern wir die Welt am 70. Jahrestag der tragischen Teilung Koreas durch fremde Mächte daran, dass das koreanische Volk einer alten Kultur entstammt, die durch die selbe Ernährung, Sprache, Kultur, Geschichte und dieselben Bräuche geeint wird.
Wir marschieren am 24. Mai, dem Internationalen Frauentag, für Abrüstung und Frieden, weil wir überzeugt sind, dass die Korea-Krieg und die hochgradige Militarisierung der koreanischen Halbinsel zu einem Ende gebracht werden müssen. Statt Milliarden von Dollar für Kriegsvorbereitungen auszugeben, könnten Regierung diese dringend benötigten Finanzmittel für Schulen, Gesundheitsversorgung und Altenpflege bereitstellen.
Der erste Schritt zur Aussöhnung erfolgt durch Engagement und Dialog. Wir marschieren, um die Hängepartie zwischen Nordkorea, Südkorea und USA zu beenden, damit diese am Verhandlungstisch den Korea-Krieg definitiv beenden. Als Addams das Schiff nach Den Haag bestieg, machte man sich über sie und andere Frauen lustig, weil sie Alternativen zum Krieg für die Beilegung internationaler Streitigkeiten suchten. Addams wies Kritik zurück, wonach sie und die anderen Frauen naiv seien. „Wir denken nicht, dass wir den Krieg beenden können. Wir denken nicht, dass wir das Blutvergießen der Armeen stoppen können, indem wir unsere Hände heben. Doch wir denken, dass es wertvoll ist, eine andere Meinung zu vertreten. Wir denken, es ist angemessen, dass sich Frauen treffen und darüber beraten, was getan werden kann.“
Es ist angemessen, dass der Friedensmarsch unserer Frauen in Korea am 100. Jahrestag des ersten internationalen Aktes des Widerstandes gegen Krieg stattfindet, den Frauen vollbracht haben. Ich fühle mich geehrt, Teil einer anderen Generation von in Den Haag versammelten Frauen zu sein, um die Tradition von Friedensstifterinnen weiterzuführen, die sich für Bürgerdiplomatie zur Beendigung von Kriegen engagieren.
*Christine Ahn ist die internationale Koordinatorin der Kampagne ‚Women Cross DMZ‘, an der sich in diesem Mai 30 Frauen mit einem Marsch für Frieden und die Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea beteiligen.