
Die Indigene Elaine Price hofft auf Ökotourismus. Foto: Neena Bhandari/IPS
Von Neena Bhandari
Cairns, Australien, 18. Dezember 2014 (IPS) – William Clark Enoch ist in Far North Queensland in Australien aufgewachsen. Schon als Kind wusste er, dass Krebse beißen, wenn bestimmte Bäume blühen. Heute, als 51-Jähriger, beobachtet er, wie die Stürme in seinem Umfeld zunehmen, die Böden erodieren, Meere versauern und die Süßwasserreserven versalzen.
„Das Land kann uns nicht länger ertragen, die Blütezeiten lassen sich nicht mehr ohne weiteres vorhersehen, und wir müssen zum Fischen viel weiter aufs Meer hinausfahren“, so Enoch, dessen Vater von der Insel North Stradbroke stammt, der Heimat der indigenen Noonuccal, Nughie und Goenpul.
Die Aborigines und die Insulaner der Torres-Straße, einer Meerenge zwischen dem nordostaustralischen York-Kapp und der Südküste von Neuguinea, stellen mit etwa 548.400 Mitgliedern 2,5 Prozent der 24 Millionen Menschen zählenden australischen Bevölkerung. Sie gehören zu den ältesten Kulturen der Welt und haben über Generationen hinweg im Einklang mit der Natur gelebt.
„Doch nun werden die auf den Zuckerrohrplantagen eingesetzten Pestizide in die Flüsse und ins Meer gespült, von wo aus sie dann in die Nahrungskette gelangen. Wir müssen die Wildschweine und Schildkröten inzwischen vor jedem Verzehr auf Giftstoffe hin untersuchen“, berichtet Enoch. Angesichts steigender Temperaturen und Meeresspiegel nimmt für die indigenen Völker das Risiko, ihre traditionellen Gebiete verlassen zu müssen, zu.
Klimaflüchtlinge der 1940er Jahre
„Schon während des Zweiten Weltkriegs gab es Umweltflüchtlinge in unserem Land. In den 1940er Jahren, als Riesenwellen über die tiefliegende Saibai-Insel in der Nähe von Neuguinea hinwegbrachen, mussten die Bewohner auf das australische Festland in Sicherheit gebracht werden“, erläutert Mick Gooda, Bevollmächtigter für soziale Gerechtigkeit von Aborgines und den Bewohnern der Torres-Straße der Australischen Menschenrechtskommission.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts ist der Meeresspiegel um 1,7 Millimeter pro Jahr gestiegen. Seit den frühen 1990er Jahren erlebte der Norden Australiens einen Anstieg um 7,1 Millimeter pro Jahr, während es im Osten zwei bis 3,3 Millimeter waren.
Nach den Vorstellungen der Aborigines gehören ihr Herz und ihre Seele zum Land ihrer Vorfahren. „Jede Umsiedlung hat Folgen für unser soziales und emotionales Wohlbefinden. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum wir bei uns so viele Fälle von Selbstmord erleben“, meint Gooda, ein Nachfahre der Gangulu aus dem Dawson-Tal in Queensland.
Vertreibungen wirken sich zudem negativ auf die Kultur, die Gesundheit und den Zugang der Aborigines zu Wasser und Nahrungsmitteln aus. Seit 60.000 Jahren spielt Wasser für die Indigenen eine wichtige Rolle. Doch in Australien setzen sich vor allem Hitze und Trockenheit durch.
Umwelt- und Indigenengruppen drängen die Regierung dazu, neue Partnerschaften mit Australiens Aborigines einzugehen. Sie sollten bei den Klimaabmilderungs- und -anpassungsmaßnahmen mitreden. Darüber hinaus gelte es aus ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen zu schöpfen, die sie sich im Laufe der Jahrhunderte angeeignet haben.
„Es gibt so viel, was wir von unseren Vorfahren lernen können, damit wir gegen den Klimawandel angehen und das Land schützen können. Australien muss auf saubere Energien umsteigen. Die fossilen Brennstoffe sollten im Boden belassen werden“, so Kelly Mackenzie von der Klimakoalition der australischen Jugend (AYCC).
„Unsere Gemeinden sind auf die Brosamen der Bergbauunternehmen nicht angewiesen. Wir kommen mit Sonne und Wind klar und sollten Volkswirtschaften aufbauen, die dafür sorgen, dass es unseren Gemeinschaften, unserem Land und unserer Kultur, die für unsere Identität so wichtig sind, gut geht“, fügt sie hinzu.
Der Klimakiller Kohle ist Australiens zweitwichtigstes Exportgut. Das Land ist zu 30 Prozent am weltweiten Kohlehandel beteiligt. Ministerpräsident Tony Abbott ließ unlängst verlauten, dass Kohle gut für die Menschheit sei. Seine Regierung hat die Kohlesteuer gesenkt und ihr Ökoenergieziel zurückgefahren.
Hill zufolge bieten sich den Aborigines durch die Produktion erneuerbarer Energien, die Speicherung und Reduzierung von CO2 sowie die Aquakultur neue wirtschaftliche Möglichkeiten. „Die Klimaanpassung bietet den Indigenen die Chance, ihr ökologisches Wissen und ihre kulturellen Praktiken einzubringen.“
Der vorhergesagte Anstieg der Meere wird auch dafür sorgen, dass in manchen Teilen des Landes Jagd und Fischerei, wie sie von den Aborigines traditionell praktiziert werden, nicht mehr möglich sind. Viele der indigenen Gemeinschaften leben in den Tiefebenen in der Nähe von Feucht-, Meeres- und Flussgebieten. „Sie sind aus kulturellen Gründen wichtig und versorgen die Menschen mit Nahrungsmitteln und insbesondere Proteinen“, erklärt Andrew Picone, der Leiter des Nordaustralienprogramms der ‚Australian Conservation Foundation‘.
Picone empfiehlt, kulturelles und wissenschaftliches Knowhow miteinander zu verknüpfen, um den Niedergang der Ökosysteme im Norden Australiens aufzuhalten. Erst kürzlich haben die traditionellen Landeigentümer an der Küste von Queensland mit dem Australien-Büro des WWF ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, das auf den Schutz bedrohter Schildkröten, von Dugongs und Delfinen im Umfeld des Great Barrier Reef abzielt, das zu fast einem Drittel von der ‚Girringun Aboriginal Corporation‘ und der ‚Gudjuda Aboriginal Reference Group‘ verwaltet wird.
Elaine Price, eine 58-jährige Olkola, die am York-Kapp zu Hause war, wünscht sich viele Beschäftigungsmöglichkeiten in den Nachhaltigkeitsindustrien und dem Ökotourismus. „Unsere junge Generation verliert bereits das Wissen ihrer Vorfahren über Pflanzen und Vögel. Doch diese Kenntnisse sind von großer Bedeutung, um unsere Ökosysteme zu bewahren und zu beschützen.“